Sinfonieorchester MünsterWestfälische Nachrichten

Felix Mendelssohn, Elias op. 70

Felix Mendelssohn, Elias op. 70 | 23. Mai 2015 | Überwasserkirche, Münster

Packendes Propheten-Drama

Arndt Zinkan, Westfälische Nachrichten, 26.05.2015

MÜNSTER – Es geht sofort in medias res. Felix Mendelssohn Bartholdy fackelt nicht lange und lässt den Propheten Elias gleich zu Beginn die Weissagung von der furchtbaren Dürre hinausschmettern. Und so, wie Thomas Laske ihm am Pfingstsamstag Kraft und Stimme verlieh, war man vom ersten Takt an sicher: Diese Aufführung würde so prächtig und dramatisch erbeben, wie es Mendelssohns biblischem Eiferer gebührt.

Voll besetzt war die Überwasserkirche, als Martin Henning das Sinfonieorchester Münster, den Philharmonischen Chor und den Kammerchor Rheine in einer hinreißenden Aufführung zusammenführte. Zwar ist diese Kirche akustisch heikel, dem „Sound“ des Werkes aber durchaus angemessen. Denn der „Elias“ nimmt sich von barocker Oratorientradition zwar Pathos und Würde – die Chöre verlieren sich aber nicht im Fugen-Gewimmel, sondern sind meist Volkes Stimme, die mit Wucht den Hörer überwältigt. Da macht sich eine dicke Dosis Hall gar nicht übel.

Auch das Sinfonieorchester schien ganz froh, der staubtrockenen Theaterakustik hier ledig zu sein. So konnte das Blech dem Prophetenwort dräuend zur Seite stehen, die Pauken grollend wetterleuchten und die Streicher die idyllischen Momente in Samt und Seide kleiden (nicht nur, als Elias‘ Arie „Es ist genug“ vom Solo-Cello umschmeichelt wurde).

Das Oratorium ist eine Abfolge dramatischer Szenen, und würden diese nicht mit prallem Leben gefüllt, wäre alles „schöne“ Musizieren vergebens. Gott sei Dank füllten die vier fabelhaften Gesangssolisten ihre diversen Rollen wunderbar lebendig aus, vom donnernden Fortissimo des Prophetenworts bis zum zarten Flügelschlag einer Engels-Arie. Sänger dieser Klasse hört man nicht alle Tage. Allen voran Thomas Laske als Elias. Keineswegs ein biblischer Donnerbass, der mit der puren Macht seines Timbres überwältigen würde. Mit baritonalem, markigem Klang, exzellenter Technik und viel Dramatik hauchte er dem Propheten Leben ein. Mit der aus München stammenden tollen Sopranistin Susanne Bernhard entspann sich die anrührende Szene um die Witwe, deren toter Sohn mit Hilfe des Propheten wieder zum Leben erwacht.

Gerhild Romberger (Mezzosopran) machte die Engels-Arie „Sei stille dem Herrn“ zu einem wahren Kleinod. Und der lyrische Tenor Markus Schäfer ging nicht nur in der Rolle des frommen Obadjah geradezu opernhaft auf. Die „Engel“-Passagen der acht „Kölner Vokal-Solisten“ trugen ebenso zum Format dieser Aufführung bei wie der Knabensolist der Chorakademie Dortmund. Zart und innig hielt er nach Gottes Wunder Ausschau. Sonderapplaus

Überwasserkirche: ELIAS von Mendelssohn

Sigi Brockmann, Der Opernfreund, 25.05.2015

Viele wie alt wiederaufgebaute Kirchen gibt es in Münster, auch einen normalerweise schmalen Fluss namens „Aa“ – von lateinisch aqua! Eine Kirche liegt vom Dom her gesehen hinter diesem Flüsschen und heißt deshalb „Trans aquam ecclesia“ oder „Überwasserkirche“. Hier wurde am Samstag aufgeführt von Felix Mendelssohn das Oratorium „Elias“ für vier Solostimmen, Chor und Orchester op. 70, veranstaltet vom Philharmonischen Chor Münster – lauter stimmlich begabte Enthusiasten – und seinem Leiter Martin Henning.
In wenigen Oratorien findet man so viel opernhafte Szenen wie im „Elias“. Da Israel sich von Gott abgewendet hat, verkündet Elias große Dürre. Durch Anrufung Gottes lässt er den Sohn einer Witwe vom Tode auferstehen, lässt im Gegensatz zu den Anhängern des Baal Feuer vom Himmel stürzen und lässt es regnen – da jubelt das Volk ihm zu.
Das währt nicht lange, angestiftet durch die Königin wendet sich das Volk wieder Baal zu und verurteilt Elias zum Tode. Er kann in die Wüste fliehen, resigniert wegen seines Misserfolgs. Gott erscheint ihm auf dem Berg Horeb, und er fährt in den Himmel. Weissagung ergeht auf den kommenden Retter des Volkes Israel.

Der Chor ist Hauptträger des Geschehens. Deshalb kam Verstärkung durch den Kammerchor Rheine, einer Stadt etwa 40 km nördlich von Münster. Geleitet wird dieser Chor ebenfalls von Martin Henning, sodass insgesamt ungefähr 130 Chorsänger auf dem Podium standen. Als Israeliten, Baalspriester, Kommentator des Geschehens haben sie schwierige kontrapunktische auch fugierte Sätze zu singen, sowie Rezitative, fast einstimmige Hymnen und choralähnliche Strophen, teils zusammen mit dem Solistenquartett – eine Nummer zu groß für „Laienchöre“? Das war nicht der Fall, wie die Aufführung zeigte! Bei mehrstimmigen Stellen waren die einzelnen Stimmen durchhörbar, so weit es die Akustik des Kirchenraums zuließ. Als Beispiele seien genannt aus dem I. Teil das Fugato „Wohl dem der den Herrn fürchtet“ oder der Schlusschor „Dank sei Dir Gott“. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit gilt dies auch für die Herren, das wurde etwa beim Einsatz der Tenöre im erstgenannten Fugato deutlich. Auch beeindruckten alle Herren bei ihrem Einsatz „Einer erwacht vor Mitternacht“ im II. Teil. In allen Chören überstrahlten die Damen höhensicher dann doch das musikalische Geschehen. Beeindruckend gewaltig teils unisono klangen die Chöre beim wenn auch vergeblichen Anruf „Baal erhöre uns“ oder wenn sie Elias in stürmischen Rhythmen gen Himmel fahren ließen. Höhepunkt war dann die Beschreibung der drei Naturgewalten, Sturm Erdbeben und Feuer, mit dem plötzlichen Wechsel nach p, als der Herr stattdessen im „sanften Säuseln“ erscheint.

Ganz hervorragend besetzt waren die vier Solopartien, allen voran Thomas Laske als Elias. Immer textverständlich bis in die tiefen Töne seiner Basspartie machte er die emotionalen Wandlungen der Partie deutlich, flehend um des Herrn Beistand, höhnisch und spöttisch über den Misserfolg der Anrufung Baals, strafend-klingend in den Koloraturen der Arie vom „Hammer der Felsen zerschlägt“ und als Höhepunkt resignierend bei „Es ist genug“. Ganz dramatisch begann Susanne Berhard mit ihrem hellen Sopran in der Sorge um ihr verdurstetes Kind. Legatobögen und weiches p hörte man dann zu Beginn des II. Teils „Höre Israel“. Gerhild Romberger beeindruckte mit ihrem Mezzo sowohl als überheblich-stolze Königin wie auch eindringlich legato und p singend als Engel bei „Sei stille dem Herrn“. Völlig textverständlich und mit unangestrengtem Legato bei Spitzentönen sang Markus Schäfer die Tenorpartie von Obadjah und Ahab, vor allem etwa bei „So ihr mich von ganzem Herzen suchet“. Ein besonderes Lob gebührt dem Knabensopran des jungen Solisten der Chorakademie Dortmund glockenrein intonierend und ganz ohne Orchester das hohe a treffend.
Die Kölner Vokalsolisten haben sich eigentlich auf Neue und ganz Neue Musik spezialisiert, hier sangen sie die Soloquartette vor allem das Doppelquartett „Er hat seinen Engeln befohlen“. Drei Damen hatten die Freude den heimlichen Hit des Stücks, den a-capella Gesang der Engel „Hebe Deine Augen“ zu singen.

Martin Henning ließ gleich zu Beginn das Sinfonieorchester Münster die fugierte Ouvertüre zügig spielen und leitete überlegen mit exakten Einsätzen das musikalische Geschehen. Im Orchester sind hervorzuheben die weich klingenden Bläser. Von den instrumentalen Soli sei beispielhaft gelobt die Oboe beim Klagen der Witwe und vor allem das Cellosolo von Monika Krack zur Bassarie „Es ist genug“. Wichtige Passagen wurden akzentuiert hervorgehoben. Beispielhaft sei genannt, wenn im triumphalen Schluss-„Amen“ in den Chorbässen deutlich wieder zu hören war das sogenannte „Fluch-Motiv“, das die ersten Worte des Elias begleitet. So konnte auch dadurch die formale Einheit des monumentalen Werkes deutlich werden.

Die Aufführung war ausverkauft, vor Beginn sah man vor der Kirche Wartende, die noch auf Karten hofften. Die Platz gefunden hatten, spendeten zuerst ergriffen, dann andauernd und herzlich Beifall, wie heute üblich auch stehend, mit Bravos vor allem für den Sänger des Elias und den Dirigenten.

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