LambertikircheSinfonieorchester Münster

Klanggewaltige Lebensreise. „A Sea Symphony“ von Ralph Vaugham Williams.

von Harald Suerland, Westfälische Nachrichten vom 08.05.2023

Münster. Der bewegendste Moment geschah im vierten Satz: Hat Ralph Vaugham Williams doch hier ohnehin die Klangmasse seiner „Sea Symphony“ reduziert. Und nun erhoben sich, zart und fragend, über den Köpfen der Zuhörer die Frauenstimmen mit der Passage „Wherefore unsatisfied soul?“ (Warum, unbefriedigte Seele?). Nicht nur ein interessanter Effekt, den Dirigent Martin Henning in Münsters St.-Lamberti-Kirche hier erzeugte. Sondern auch ein sprechender Hinweis auf den Sinn des pompösen sinfonischen Erstlings von Vaugham Williams: Da schwelgt nicht nur jemand zu den Texten Walt Whitmans vom Glanz der britischen Seefahrernation, sondern thematisiert gleichermaßen die Lebensreise des Menschen in Gottes Universum. Auch ein Grund, das oratorische Werk im sakralen Raum aufzuführen.

Der Philharmonische Chor Münster, unterstützt von der York Musical Society, ließ gleich zu Beginn des tiefsinnigen Seestücks erkennen, dass er die gut einstündige Komposition souverän auf die Reise und in den Hafen bringen würde. Im aufrauschenden „Behold the sea itself“ wogte ein satt gerundeter Klang durch das Kirchenschiff, da saßen auch die exponierten Passagen sicher – und das Sinfonieorchester Münster fügte sich so wirkungsvoll wie stimmig in Hennings mit den Chormassen fabelhaft einstudierte Interpretation.

Dankbar waren due Zuhörer in der voll besetzten Kirche für das Programmheft mit Textabdruck und Erläuterungen, denn es fiel nicht leicht, im pompösen Klangrausch den englischsprachigen Versen zu folgen. Überlegen nicht nur im Hinblick auf seine markante Artikulation gestaltete Markus Eiche (Bariton) seinen Solopart. Dass der von ihm geprägte zweite Satz „On the beach at night – alone“ im Orchester nicht ganz so verhalten klang wie denkbar, war natürlich den akustischen Verhältnissen geschuldet, denen Martin Henning mit zügigen Tempi begegnete. Auch Sopranistin Susanne Bernhard erwies sich als vortreffliche Besetzung für die etwas kleinere Solopartie: Davon zeugten gerade die Duett-Passagen des vierten Satzes, dessen Beginn auch Martin Henning und die Chöre zu den zartesten Klängen des Abends motivierte.

Insgeheim schien der gesamte Konzertabend ein bisschen auf die Krönungsfeierlichkeiten in London abgestimmt zu sein: Die feinen Kölner Vokalsolisten und die Lamberti Scholars hatten nicht nur die „Sea Symphony“ mit den sphärischen Klängen von oben unterstützt, sondern vorab Henry Purcells „Funeral Music“ angestimmt – ein Werk aus der Zeit des Königs Charles II. und seiner Nachfolgerin Queen Mary. Charles III. hätte dem großen Applaus in St. Lamberti gewiss mit dankender Geste zugestimmt.

A-Sea-Symphony_1_Alt-Epping

Foto: Christiane Alt-Epping

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